Bauträgerinsolvenz

Eigenheim in Gefahr: Was tun, wenn der Bauträger insolvent geht?

Die gestiegenen Zinsen wälzen die Baubranche um: Immer mehr Baustellen stehen still oder Bauträger gehen insolvent. IMMO.info erklärt, was Warnzeichen einer Insolvenz sind und wie Betroffene reagieren können.

Autor: ELI Redaktion und Experten | Zuletzt geändert: 09.08.2024 | Lesezeit: 21 Minuten | Drucken

Experte Holger Freitag, Rechtsanwalt und Vertrauensanwalt beim Verband Privater Bauherren e.V.
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Holger Freitag, Rechtsanwalt und Vertrauensanwalt beim Verband Privater Bauherren e.V.
Bauträger insolvent

Was ist ein Bauträger?

Bauträgerinsolvenz Rechtsanwalt

Eine Bauträgerinsolvenz kann für den Bauherren zum Verlust des Grundstücks führen. Fachkundiger Rat eines spezialisierten Rechtsanwalts ist notwendig.

Wenn von einer Bauträger gesprochen wird, meint der Jurist etwas anderes als der Mann von der Straße. In der Alltagssprache ist ein Bauträger eine Firma, die sämtliche Bauarbeiten an Subunternehmer vergibt oder selbst erledigt. Rechtlich bezeichnet der Begriff aber ein Unternehmen, das alle Arbeiten übernimmt oder vergibt und dem das Baugrundstück gehört. “Häufig plant und baut ein Bauträger ganze Straßenzüge oder -viertel”, erklärt Holger Freitag, Vertrauensanwalt beim Verband Privater Bauherren. Die Käufer zahlten bis zu sieben Abschläge, nachdem jeweils ein zuvor festgelegter Baufortschritt erreicht worden sei.

Daneben gibt es rechtlich zwei weitere Schlüsselfertiganbieter, bei denen der Bauherr aber Grundstückseigentümer ist:

  • Der Generalunternehmer: Er übernimmt alle Bauarbeiten selbst oder vergibt diese an Subunternehmer.
  • Der Generalübernehmer: Er koordiniert lediglich den Bau und vergibt alle Arbeiten an Subunternehmer.

Bei einer Insolvenz können Bauherren das Grundstück verlieren

Geht ein Bauträger insolvent, sind die Konsequenzen besonders gravierend. “Bei einer Insolvenz können Bauherren das Grundstück verlieren”, erklärt Holger Freitag. “Bauherren haben außerdem kein ordentliches oder außerordentliches Kündigungsrecht.”

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Was sind Anzeichen für eine Insolvenz des Bauträgers?

Bevor ein Unternehmen insolvent geht, deuten gewisse Anzeichen eine Krise bereits an. Das können laut Holger Freitag sein:

  • Baustopps und Bauzeitverzögerungen
  • Bauträger möchte einen Vorschuss auf die nächste Abschlagszahlung oder verlangt überhöhte Zahlungen
  • Löhne der Subunternehmer werden nicht bezahlt
  • Häufig wechselnde Subunternehmer im selben Gewerk
  • Häufig wechselnder Bauleiter
  • Kein neues Material auf der Baustelle oder geliefertes Material wird wieder abgeholt
  • Bauträger ist nur noch schwer erreichbar

Komme ich vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aus dem Vertrag mit dem Bauträger heraus?

Bauherren können nicht mehr viel tun, wenn sich eine Insolvenz andeutet. Eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Vertrags ist nicht möglich, erklärt Baurechtsexperte Holger Freitag. Nur bei einem Generalunternehmer oder -übernehmer lasse das Recht eine außerordentliche Kündigung zu

siehe oben für den Unterschied zwischen den drei Baufirmen

Bei einem Bauträger ist nur ein Rücktritt vom Vertrag möglich. “Eine Kündigung würde den Vertrag zum aktuellen Stand beenden”, erklärt Holger Freitag. “Das wäre für den Bauherren vorteilhaft, denn er hätte Anspruch auf das Grundstück und die Bauruine.”

Bei einem Rücktritt werde der Vertrag hingegen rückabgewickelt. Bauherren würden die Auflassungsvormerkung im Grundbuch verlieren. Diese Eintragung sichere dem Bauherren die Eigentumsübertragung zu. Der Bauherr hat ohne Auflassungsvormerkung keinen Anspruch mehr auf das Grundstück”, erklärt Holger Freitag.

Bauherren hätten bloß noch ein Anrecht darauf, die geleisteten Abschlagszahlungen zurückzuerhalten. Allerdings zeige die Erfahrung, dass maximal fünf Prozent aus einem Insolvenzverfahren zurückfließen würden.

Eine Insolvenz kann daher schlimmstenfalls existenzbedrohend werden. “Häufig haben Bauherren eine Immobilie kreditfinanziert und müssen das Darlehen weiter tilgen, auch wenn sie die Immobilie bereits verloren haben”, erklärt Holger Freitag.

Wie läuft eine Insolvenz im Regelfall ab?

Üblicherweise vergehen drei bis zehn Monate, bevor Bauherren sicher wissen, was mit der Immobilie geschieht. Typischerweise läuft eine Insolvenz folgendermaßen ab:

  1. Das Unternehmen meldet Insolvenz beim Amtsgericht an.
  2. In der Regel dauert es mindestens drei Monate, bis das Amtsgericht ein Insolvenzverfahren eröffnet. Ob ein Verfahren eröffnet wurde, erfahren Bauherren auf der Internetseite insolvenzbekanntmachungen.de .
  3. Der Insolvenzverwalter braucht anschließend für gewöhnlich drei bis sechs Monate, um zu entscheiden, ob er den Bau fortführt oder nicht. Bei der Insolvenz eines großen Unternehmens kann es länger dauern. “In der Regel wird der Bauträger ein Bauvorhaben nicht zu Ende bringen”, erklärt Holger Freitag. Er müsste nämlich bei einem Weiterbau für Baumängel haften. Diese seien bei einer Insolvenz wahrscheinlicher, denn bei einer sich abzeichnenden Krise würde häufig nicht mehr die beste Qualität verbaut.
  4. Erst wenn die schriftliche Absage des Insolvenzverwalters vorliegt und die Bauträgerbank einverstanden ist, können sich die Bauherren als Eigentümer im Grundbuch eintragen lassen, ein neues Bauunternehmen suchen und den Bau fortführen.

Was sollten Bauherren vor und während der Insolvenz eines Bauträgers tun?

Bei einer Insolvenz ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Vertragliche Absicherungen wie eine Fertigstellungsbürgschaft lassen sich nicht mehr vereinbaren. Dennoch können Bauherren die folgenden vier Schritte unternehmen:

  1. Wenn sich Anzeichen für eine Insolvenz häufen, sollten Bauherren einen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und/oder Insolvenzrecht einschalten. Das Bauträgerrecht sei komplex und Privatleute seien alleine kaum in der Lage, mit dem Unternehmen auf Augenhöhe zu verhandeln, erklärt Holger Freitag. Ohne rechtliche Beratung würden rasch Fehler begangen oder Fristen verpasst. Unten erfahren Sie weitere Details zur Anwaltssuche.
  2. Bauherren sollten keine Zahlungen leisten, wenn sich Anzeichen für eine Insolvenz häufen. “Manchmal drohen die Bauträger mit einem Baustopp, wenn die Bauherren keine außervertraglichen Zahlungen leisten”, erklärt Holger Freitag. Darauf solle man sich nicht einlassen, denn im Falle einer Insolvenz sei das Geld fast vollständig verloren.
  3. Bauherren sollten umgehend einen Sachverständigen heranziehen und den Bauzustand dokumentieren lassen. Der Experte stellt fest, welche Mängel vorliegen, wie hoch der Schadenswert der Mängel ist und wie hoch die Kosten zur Mängelbeseitigung wären. Sachverständige in Ihrer Region finden Sie auf der Internetseite des Verbands Privater Bauherren .
  4. Bauherren sollten möglichst frühzeitig versuchen, die Baupläne vom Unternehmen zu erhalten und auf Vollständigkeit der Pläne drängen. Bauherren haben einen rechtlichen Anspruch auf die Herausgabe der Pläne. Ohne vollständige Baupläne könnte die KfW Förderungen streichen oder andere Baufirmen könnten es schwer haben, weiterzubauen.

Wie finde ich einen Anwalt mit Expertise?

Betroffene finden Fachanwälte für Baurecht bei Verbänden oder auf Portalen. Allerdings ist die Auswahl groß.

“Idealerweise bräuchte man eine Kanzlei, die Bau- und Insolvenzrecht abdeckt und über eine Erfahrung von mindestens einem Jahrzehnt verfügt – je mehr, desto besser”, erklärt Holger Freitag. Konkret rät Freitag dazu, den Fachanwaltstitel zu prüfen und sich nach der Berufserfahrung zu erkundigen.

Die Suche könnte sich allerdings schwierig gestalten. “Nicht jeder Anwalt mit Expertise wird den Fall übernehmen wollen”, schätzt Freitag. Es sei ein gewisser Idealismus nötig, denn die Mandate seien oft sehr arbeitsaufwendig und langwierig.

Welche Rolle spielt die Bank des Bauträgers?

Der Bauträger finanziert das Projekt über eine Bank (auch Bauträgerbank oder Globalbank genannt). Laut Holger Freitag hat die Bauträgerbank nahezu immer eine Freistellungserklärung mit Ersetzungsbefugnis ausgegeben und steht im Grundbuch in einem höheren Rang als der Bauherr.

Das bedeutet, dass die Bank entscheiden darf, ob sie dem Bauherren das Grundstück und die Immobilie überlässt oder bloß den Marktwert anteilig ausbezahlt. “Die Globalbank wird sich für die Option entscheiden, die für sie am vorteilhaftesten ist und für den Bauherren nachteilig”, erklärt Holger Freitag.

Dabei ersetzt die Bauträgerbank nicht die gesamten geleisteten Abschlagszahlungen, sondern bloß den Marktwert der Bauruine. Hat der Bauträger den Großteil einer Abschlagszahlung noch nicht verbaut oder gibt es Baumängel, bleibt der Bauherr auf den Verlusten sitzen.

Warum gestaltet sich eine Bauträgerinsolvenz bei einem Mehrfamilienhaus schwierig?

Bauträger insolvent Mehrfamilienhaus

Ist der Bauträger eines Mehrfamilienhauses insolvent, wird es kompliziert. Viele Bauherren müssen sich mit dem Bauträger und der Bauträgerbank einigen.

Bei einem Mehrfamilienhaus wird eine Einigung zwischen allen Beteiligten besonders kompliziert. Der Bauherr muss nicht bloß mit dem Bauträger und der Bauträgerbank verhandeln, sondern auch mit den anderen Bauherren. “Meines Wissens ist es bislang noch nicht vorgekommen, dass eine Einigung zwischen mehr als 20 Bauherren erzielt wurde, sodass die Bauherren das Grundstück behalten konnten”, erklärt Holger Freitag.

Manche Bauherren würden eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus als reines Renditeobjekt sehen und wollten bei einer Insolvenz möglichst rasch und mit geringen Verlusten aussteigen. Andere wollten unbedingt in dem Haus wohnen, erklärt Freitag.

Der Weiterbau erfordere daher meist einen Deal zwischen Insolvenzverwalter, Globalbank und den Bauherren. “Für die Bauherren wird es dabei regelmäßig deutlich teurer”, erklärt Freitag. Praktisch immer müssten sich Bauherren untereinander verabreden, um den Bau fortzuführen. Etwa würden manche Bauherren für die Baufortführungskosten von anderen Bauherren bürgen oder diese teils übernehmen, wenn einzelne Erwerber nicht über ausreichend Reserven verfügten.

Darf ich während einer Insolvenz Verbesserungsarbeiten am Haus tätigen oder erledigen lassen?

Ein weiteres Problem sind Schäden durch Regenwasser und Co., wenn der Bau stillsteht. Bis sich der Insolvenzverwalter entscheidet, verstreichen nämlich in der Regel sechs bis zehn Monate.

Bauherren dürfen in dieser Zeit die Bauruine nicht eigenmächtig ausbessern oder ausbessern lassen, um Schäden zu verhindern. “Das Haus und das Grundstück sind Eigentum des Bauträgers”, erklärt Holger Freitag.

Bauherren können das Gespräch mit dem Bauträger suchen. Zeigt sich der Bauträger nicht kooperativ – auch nicht, wenn Bauherren die Kosten selbst übernehmen – könnte man in einem unbeobachteten Moment selbst Hand anlegen und etwa eine Plane über eine ungeschützte Mauer werfen. Erlaubt ist das aber nicht. “Wenn bei der Aktion ein Unfall passiert, war man im Zweifel ohne Berechtigung auf der Baustelle, was nachteilig ist”, gibt Holger Freitag zu bedenken.

Wer einen Handwerker bestellt, läuft zudem in Gefahr, am Ende doppelt zu zahlen. Der Bauträger hat schließlich ein vertragliches Recht darauf, die Arbeiten erledigen zu dürfen.

Außerdem können sich Bauherren schadensersatzpflichtig machen. “Der Insolvenzverwalter könnte versuchen, Schäden – auch solche, die nichts mit den Ausbesserungsarbeiten zu tun haben – dem Verbraucher in die Schuhe zu schieben und von ihm Ersatz zur Zahlung an die Masse verlangen”, erklärt Holger Freitag.

Zusammenfassung: Bauträger insolvent – was tun?

Ein Bauträger übernimmt nicht nur Bau und Vertrieb einer Immobilie, sondern ist auch Eigentümer des Baugrundstücks.

Geht ein Bauträger insolvent, stehen Bauherren vor einem Dilemma. Sie laufen Gefahr, das Grundstück und die Immobilie zu verlieren und müssen gleichzeitig einen möglichen Immobilienkredit weiterhin tilgen. Außerdem drohen Schäden an der Bausubstanz, wenn die Bauruine nicht ausreichend vor Regenwasser und Co. geschützt ist.

Bis der Insolvenzverwalter entscheidet, ob der Bauträger den Bau fortführt oder nicht, vergehen in der Regel sechs bis zehn Monate. Zuerst wird eine Insolvenz beim Amtsgericht angemeldet. Bis zur Eröffnung vergehen meist drei Monate oder mehr. Dann hat der Insolvenzverwalter bis zu sechs Monate Zeit, um sich für oder gegen den Weiterbau zu entscheiden.

Bauherren sollten alle nicht vertraglich zwingenden Zahlungen an den Bauträger sofort einstellen und auf Herausgabe und Vollständigkeit der Baupläne drängen. Außerdem sollten sie den Bauzustand von einem Sachverständigen dokumentieren lassen und sich von einem Anwalt beraten lassen, der auf Bau- und Insolvenzrecht spezialisiert ist.

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Ausdruck: 21.11.2024

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