Ein neues Immobilien-Startup sorgt für Aufregung
Scoperty: Schätzwerte des Immobilienportals in der Kritik
Mehr Angebote, mehr Transparenz auf dem Immobilienmarkt – dieser positiven Bilanz rühmt sich der digitale Marktplatz Scoperty ein Jahr nach dem Markteintritt. Inzwischen sind auf dem Immobilienportal die Schätzwerte von rund 35 Millionen Wohnimmobilien in Deutschland veröffentlicht. Das sorgt in der Branche auch für Kritik. Woher stammen die Daten? Wie aussagekräftig sind sie? Wer profitiert davon? IMMO.info klärt auf. UPDATE: ABSCHALTUNG VON SCOPERTY
UPDATE: Scoperty beendet Service - Portal abgeschaltet
Keine Geld mehr: Scoperty hat im November 2022 das Portal Scoperty.de abgeschaltet. Nach eigenen Angaben ist aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds eine notwendige Finanzierungsrunde nicht zustande gekommen. Der Gründungsgesellschafter Sprengnetter übernimmt die Technologie und wird Teile davon für Geschäftspartner zur Verfügung stellen. Das Angebot für Privatkunden wird nicht fortgeführt, so der Geschäftsführer Yashar Moradi.
Was macht Scoperty?
Das Unternehmen möchte mit seinem Dienst Scoperty ein Portal für einen Vormarkt für Immobilien schaffen. Als Vormarkt bezeichnet das Unternehmen den Immobilien-Markt in der Phase, vor der eigentlichen Verkaufsabsicht. Auf der Webseite kann sich jeder ohne Registrierung in einer Kartenansicht Schätzwerte von mehr als 85 Prozent der Häuser und Wohnungen in Deutschland ansehen. Neugierige (Was ist wohl das Haus meines Chefs wert?) werden ebenso fündig wie Kaufinteressierte, die einen Überblick über die Preise in ihrem Wunschbezirk suchen.
Damit Eigentümer und Kaufinteressenten zusammenkommen, sind die Immobilien unterschiedlich gekennzeichnet, der Großteil mit dem Label „Schätzwert“. Dabei handelt es sich nicht wirklich um einen Wert, sondern um eine Spanne mit großzügigem Spielraum, der schon bei Reihenhäusern im Bereich von 500.000 Euro liegen kann. Diese gewaltige Preisspanne erntet Kritik, da sie kaum etwas über einzelne Objekte aussagt.
Ist einer Immobilie das Etikett „Offen für Gebote“ angeheftet, heißt es nicht unbedingt, dass die Informationen genauer sind. Es bedeutet allerdings, dass man über die Plattform Kontakt zum Eigentümer aufnehmen kann und dieser offen ist für Gebote, auch wenn die Immobilie nicht offiziell zum Verkauf steht. Scoperty will mit dieser Etikettierung Transaktionen ermöglichen, die ohne die Plattform nie stattgefunden hätten und somit eine Nische für sein Geschäftsmodell finden, die nicht im Wettbewerb zu Platzhirschen wie Immobilienscout steht.Mit dem Label „Zum Verkauf“ ist schließlich ein Angebotspreis mit Exposé verbunden, entweder von privat oder von einem Makler.
Laut Website gibt es ein Jahr nach dem Markteintritt rund 55.000 registrierte Nutzer, 37.000 angelegte Immobilien und 6.500 exklusive Angebote. Wird ein Verkauf konkret, bietet Scoperty unterschiedliche Dienstleistungspakete zur Unterstützung.
Im Vergleich zu den großen Immobilienportalen Immoscout 24 oder Immowelt sind auf der Plattform Scoperty deutlich weniger Immobilien gelistet, die möglicherweise verkauft werden. Aktuell bietet zum Beispiel Immobilienscout24 deutschlandweit rund 34.000 Wohnungen und 71.000 Häuser zum Verkauf an.
Welche Daten fließen in die Bewertung?
Um die Schätzwerte für Immobilien zu erstellen, nutzt Scoperty vor allem öffentlich zugängliche Daten von Kataster- und Landvermessungsämtern oder der Deutschen Post: die Adresse, die Grundstücksgröße, eine Zehnjahresspanne für das Baujahr, die geschätzte Wohnfläche, Objekttyp und Anzahl der Wohneinheiten. Weitere Informationen erhält Scoperty von seinen Kooperationspartnern, dem Immobilienbewerter Sprengnetter und der ING-Bank, die beide an dem Start-up beteiligt sind.
All diese Daten fließen in einen Algorithmus, der die Schätzwerte errechnet.
Im eigenen Blog schreibt Scoperty: „Die öffentlich zugänglichen Daten, die wir verwenden, können auch veraltet oder ungenau sein. Außerdem werden teilweise die Inputparameter von uns auch geschätzt. Das Baujahr erhalten wir beispielsweise nur als Spanne von zehn Jahren und nehmen davon den Mittelwert.“
Damit ist klar: Die angegebenen Werte dienen ausschließlich der groben Orientierung und haben mit dem Verkehrswert oder einem seriösen Preisgutachten eines Hauses oder einer Wohnung nichts zu tun.
Verkehrswert, Kriterien und Verfahren
Wer mit dem von Scoperty angegebenen Wert seiner Immobilie unzufrieden ist, kann selbst nachjustieren. Genauere Angaben ändern den Wert direkt. Dazu muss sich der Eigentümer registrieren und generiert Scoperty einen Lead, also einen marketingrelevanten Kontakt. Einer der Kritikpunkte an Scoperty lautet, nur Leads generieren zu wollen und diese etwa an Makler weiterzuverkaufen.
Scoperty in der Kritik
„Immobilien lassen sich nicht über einen Kamm scheren“, sagt Markus Wendling von HEOS Immobilien in Eichenau im Münchner Speckgürtel. Selbst zwei nebeneinanderliegende Reihenhäuser können sich im Preis um ein Drittel und mehr unterscheiden. Zu einem realistischen Preis führen nur tiefe Informationen über ein Objekt und die persönliche Besichtigung. Unter anderem müssen folgende Fragen beantwortet sein: Entsprechen Fenster und Dämmung modernen thermischen Ansprüchen? Wie effizient und umweltschonend ist die Heizung? Gab es mal einen Wasserschaden, der nur laienhaft behoben wurde? Ist die Immobilie im Grundbuch belastet? Liegt die Terrasse Richtung Süden? Ist das Haus vermietet?
Nur unter Einbeziehung sämtlicher Details könne man eine Immobilie mit einer anderen vergleichen, so Wendling, der auch im Verwalterausschuss Bayern des Immobilienverband Deutschland (IVD) sitzt.
Ein realistischer Preis lasse sich nur auf der Basis notariell verbriefter Hausverkäufe festlegen. „Erst wenn Verkäufer und Käufer beim Notar sitzen und den Vertrag unterschreiben, hat man den realen Wert der Immobilie.“
Auch wenn der Eigentümer selbst den Wert seiner Immobilie präzisiert, wozu Scoperty seine Nutzer ermutigt, bleibt die Aussagekraft fraglich. „Die Besitzer halten ihr Haus in der Regel für ein herrschaftliches Anwesen. Der Kaufinteressierte empfindet das Objekt im ungünstigsten Fall als Bruchbude“, erklärt Wendling das Spannungsfeld, in dem sich Makler bewegen. Den marktgerechten Preis einer Immobilie festzulegen ist ein aufwendiger analoger Prozess. Scoperty kann das genauso wenig leisten wie die meisten Eigentümer.
Wo will Scoperty hin?
Es ändert sich wohl einiges: Das im Jahr 2019 gegründete Unternehmen hat bereits mehrere Wechsel in der Geschäftsführung hinter sich. Zuletzt verließ Geschäftsführer Dr. Michael Kasch das Unternehmen und wurde durch Stefan Kellner und Yashar Moradi als neue Geschäftsführer ersetzt.
Die Schätzwerte von Häusern und Wohnung sind nur ein Teil der Geschäftsidee. Auf die Frage nach besonderem Potenzial für die Zukunft von Scoperty antwortet der neue CEO Stefan Kellner: „Wir können den digitalen Zwilling einer Immobilie abbilden und das gesamte Leben einer Immobilie darstellen.“ Von der Wertentwicklung über die Verwaltung von Versicherungen, Eigentümerwechsel, Renovierungen und vieles mehr. „Das hilft nicht nur Eigentümern, ihr Haus, ihre Wohnung oder sogar ihr gesamtes Immobilienportfolio immer im Blick zu haben, sondern erleichtert auch den Kauf und Verkauf eines Objektes enorm“, sagt Kellner im eigenen Blog.
Was ist nötig, um die Zukunftsvision von CEO Kellner wahr werden zu lassen? Daten, Daten und noch mal Daten, ganz konkrete und keine Schätzwerte. Nur dann lässt sich ein digitales Abbild eines Hauses oder einer Wohnung darstellen. Wie viele Eigentümer tatsächlich bereit sein werden, so viel über ihre Immobilie preiszugeben, wird sich zeigen.
IMMO.info-Fazit
Die Kritik an der Ungenauigkeit der Scoperty-Schätzwerte ist berechtigt. Nur mithilfe von Daten, die Scoperty wohl bis auf Weiteres nicht zur Verfügung stehen, erhielte man präzisere Werte. Erst dann könnte Scoperty den eigenen Anspruch erfüllen und tatsächlich für mehr Transparenz auf dem deutschen Immobilienmarkt sorgen.
Wer nicht möchte, dass seine Immobilie etikettiert wird, kann die Informationen verbergen oder ganz aus dem Datensatz löschen lassen. Die Links dazu finden sich inzwischen – vielleicht auch, weil es Kritik hagelte – prominent auf der Startseite des Unternehmens.
Aktuell liefert Scoperty grobe Anhaltspunkte zu dem potenziellen Wert von Wohnimmobilien. Das dient maximal einem ersten Überblick über die Preise in einer gewissen Gegend. Die Webseite ist gut und übersichtlich gestaltet. Scoperty hat es immerhin geschafft durch seinen Service einiges an Aufmerksamkeit zu erregen. Vielleicht war dies Sinn der Sache und eine Marketing-Strategie. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung das Unternehmen seine Dienste entwickeln wird und ob hieraus ein profitables Geschäftsmodell entsteht.
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