„Verbraucherdialog NRW“ in Düsseldorf

Teilverkauf von Immobilien: Ein Traum mit Vorbehalt

Das Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerium in Nordrhein-Westfalen hatte am 19. März rund 80 Vertreter der Immobilien- und Finanzwirtschaft und von Verbraucherschutzorganisationen eingeladen, um über Chancen und Risiken des Teilverkaufs von Immobilien zu diskutieren. Im Publikum: auch Senioren, Wissenschaftler und Juristen.

Autor: ES Redaktion und Experten | Zuletzt geändert: 26.03.2024
Zuletzt geändert: 26.03.2024
Teilverkauf von Immobilien: Ein Traum mit Vorbehalt? Verbraucherdialog NRW in Düsseldorf

Verbraucherschützer fordern mehr Transparenz und Standards bei Produkten

Eine klare Kostenübersicht und ein sicherer Nießbrauch: Das haben Verbraucherschützer auf der Fachtagung zum Teilverkauf gefordert. Ein Bericht vom „Verbraucherdialog NRW“  in Düsseldorf mit dem Thema “Immobilien-Teilverkauf: Traum oder Albtraum für Verbraucher?”.

NRW Verbraucherschutzministerin eröffnet die Diskussion

Silke Gorißen: Immobilien-Teilverkauf: Traum oder Albtraum für den Verbraucher?

Silke Gorißen, Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin bei der Fachtagung “Immobilien-Teilverkauf: Traum oder Albtraum für den Verbraucher?”. Quelle: Evelyn Steinbach

Silke Gorißen, Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, stellt gleich zu Beginn dar: „Immer mehr Eigenheimbesitzer denken darüber nach, das Vermögen, das in ihrer Immobilie steckt, zu nutzen, um zum Beispiel das Haus altersgerecht umzubauen. Manche Eigenheimbesitzer benötigen zusätzliches Geld, weil die vorhandenen finanziellen Mittel aufgrund steigender Energiepreise oder Lebenshaltungskosten nicht mehr ausreichen, um die Immobilie zu unterhalten. Ein Teilverkauf der Immobilie soll dann Abhilfe schaffen.“

Verbraucherschützer fordern mehr Transparenz und Standardisierung

Bei einem Immobilien-Teilverkauf verkaufen Eigentümer bis zu 50 Prozent ihrer Immobilie an einen spezialisierten Teilverkauf-Anbieter. Im Gegenzug erhalten sie den Kaufpreis und ein Nießbrauchrecht an dem verkauften Hausanteil. So können sie weiterhin in ihrer gewohnten Umgebung leben. Vor dem Verkauf sind jedoch viele Aspekte zu prüfen: Neben dem nach dem Teilverkauf monatlich zu zahlenden Nutzungsentgelt müssen häufig auch die Instandhaltungskosten vom Teilverkäufer übernommen werden. Da die Angebote am Markt derzeit noch nicht standardisiert sind, sind die Verträge komplex und schwer zu vergleichen, bemängeln Verbraucherschützer.

Zwischen 40 und 60 Seiten umfasst ein Vertrag bei einem Teilverkauf.

Zwischen 40 und 60 Seiten umfasst der Vertrag, in dem beide Parteien den Teilverkauf, den Nießbrauch und den späteren Gesamtverkauf der Immobilie regeln. Und hier lauern viele Fallstricke, die für Diskussionsstoff sorgten.

Verbraucherschutzministerium spricht sich für mehr Regulierung beim Teilverkauf aus

Reicht die Warnung der Finanzaufsichtsbehörde Bafin oder braucht es mehr Regulierung durch die Politik? Die Stimmung im Saal ist eindeutig: Viele sehen den Teilverkauf kritisch, darunter Rechtsanwälte, Vertreter von Verbraucherzentralen und Seniorenberatungen, Wohnverbänden und Finanzwissenschaftler der Universität. Auch Silke Gorißen macht deutlich, dass der Teilverkauf für Senioren ein komplexes Thema mit „weitreichender Entscheidung“ ist. Das NRW-Ministerium will ein höheres Verbraucherschutzniveau erreichen. Die Verbraucherschutzministerkonferenz habe sich bereits dafür ausgesprochen, den Teilverkauf von Immobilien stärker zu regulieren und mehr Transparenz zu schaffen, erzählt sie. Zum Beispiel beim Insolvenzschutz oder bei der Risikoverteilung. Wie das aussehen kann, müsse noch verhandelt werden.

Bafin Teilverkauf Prüfung

Erlaubnispflicht für Teilverkauf?

BaFin prüft den Teilverkauf

Die Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin prüft den Teilverkauf. Gegenüber IMMO.info bestätigt die BaFin die Prüfung […]

Die Diskussionspunkte und Lösungsansätze im Einzelnen:

Nutzungsentgelt (Wohngebühr)

Stephanie Heise von der Verbraucherzentrale NRW warnt: „Nach dem Teilverkauf zahlen die Bewohner ein monatliches Nutzungsentgelt von fünf bis sechs Prozent.“ Bei einer Teilauszahlung von 100.000 Euro und einem Nutzungsentgelt von 5,5 Prozent sind das 459 Euro im Monat. Nach zehn Jahren Laufzeit summieren sich die Kosten auf 55.080 Euro. „Mehr als die Hälfte der Auszahlung“, hält sie fest. Hinzu kommt, dass das Nutzungsentgelt zunächst nur für fünf oder zehn Jahre festgeschrieben ist. Danach kann die Wohngebühr steigen, und es sei ungewiss, ob sich die Eigentümer die monatlichen Kosten noch leisten können, so die Verbraucherschützerin. Teilverkauf-Anbieter wie Thomas Weiss, Geschäftsführer von Vobahome entgegnen, dass jeder Kunde auf seine Zahlungsfähigkeit geprüft werde. Schließlich wollen beide Seiten einen Zahlungsausfall vermeiden. Bei manchen Anbietern ist es möglich, die Höhe des Nutzungsentgelts lebenslang festzuschreiben. Das ist allerdings deutlich teurer. Anzumerken ist, dass sich Kunden des Teilverkaufs die Mietzahlungen sparen, die sie bei einem Gesamtverkauf tragen müssten.

Beteiligung an der Instandhaltung

Für einfache Renovierungen und Modernisierungen bleibt der Teilverkäufer (bisheriger Eigentümer) weiter zuständig. Für Instandhaltungen gibt es teilweise Zuschüsse der Teilkäufer. Hier haben die Anbieter in den letzten Jahren nachgebessert. Allerdings mit vagen Formulierungen. „Man weiß nicht genau, in welchem Umfang sich das Unternehmen beteiligt“, bemängelt Heise. Weiterer Kritikpunkt: Der Zuschuss wird auf das Nutzungsentgelt umgelegt. Das heißt: Nach einer bezuschussten oder übernommenen Instandhaltung erhöht sich die monatliche Gebühr. Auch hier wünschen sich viele Teilnehmende mehr Transparenz. Denn aus den Infopaketen, die Teilkäufer an potentielle Kunden verschicken, geht oft nicht hervor, wann, wie und in welcher Höhe sich das Unternehmen an der Instandhaltung der Immobilie beteiligt.

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Durchführungsentgelt bei Gesamtverkauf

Bei einem Umzug in ein Seniorenwohnheim oder dem Tod der Bewohner kann es zu einem Gesamtverkauf der Immobilie kommen. Hierfür berechnen die Anbieter eine Abwicklungsgebühr. Ein solches Durchführungsentgelt kann zwei bis sechs Prozent des Verkaufspreises betragen, also mehrere tausend Euro. Hinzu kommen oftmals weitere Kosten, etwa für ein Wertgutachten oder einen Makler. Bei Vobahome sind es zwei Prozent, die das Unternehmen für den Service berechnet. „Bleibt die Immobilie in der Familie, reduziert sich die Gebühr“, erklärt Thomas Weiss. Hinzukommen allerdings die Maklerkosten, die bei anderen Teilverkauf-Anbietern im Durchführungsentgelt inkludiert sind.

Marktrisiko und Verkaufsgewinn

Die Teilkauf-Unternehmen lassen sich im Vertrag einen Verkaufsgewinn von 15 bis 17 Prozent zusichern. „Das Marktrisiko trägt der Teilverkäufer aber allein“, sagt Heise. Verliert die Immobilie im Laufe der Jahre an Wert, zahlt er unter Umständen drauf. Thomas Weiss entgegnet, dass aus dem Gewinn die Kaufnebenkosten, also beispielsweise die Notargebühren und die Grunderwerbsteuer, bezahlt werden. Aber auch er räumt ein: “Wir sind ein wirtschaftliches Unternehmen. Wenn es sich für den Teilkäufer nicht lohnen würde, gäbe es ihn nicht.“

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Sicherung des Nießbrauchs bei Insolvenz

Sollte einer der Anbieter in die Insolvenz gehen, sehen sich Teilkäufer in ihrem Nießbrauchrecht nicht ausreichend geschützt. „Oft handelt es sich um eine nachrangige Absicherung“, kritisiert Heise. Mit der Folge: Im Falle einer Zwangsversteigerung ist das Wohnrecht nicht gesichert. Ein Lösungsvorschlag kommt von Nicola Hegerfeld, Notarassessorin bei der Rheinischen Notarkammer. Das „Nießbrauchrecht muss für die gesamte Immobilie im Grundbuch eingetragen sein, damit es sicher ist“, empfiehlt sie. Die Expertin hat sich im vergangenen Jahr intensiv mit der rechtlichen Einordnung und Rechtssicherheit von Teilverkäufen beschäftigt.

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Die Forderungen der Verbraucherschützer

Die Diskussion an diesem Tag zeigt: Für viele ist der Teilverkauf nach wie vor ein komplexes und risikoreiches Thema. Ein Vergleich der Angebote fällt schwer. Der Ruf nach einheitlichen Standards wird lauter.

Vier von circa zwölf Teilverkaufsunternehmen am Markt (Engel & Völkers Liquid Home, Heimkapital, Vobahome und Wertfaktor) haben sich dem Bundesverband Immobilienverrentung angeschlossen. Mit ihrem gemeinsam unterzeichneten Verhaltenskodex wollen sie für Transparenz beim Teilverkauf sorgen – unter anderem mit strukturierten und verständlichen Verträgen. Verbraucherschützern geht das aber nicht weit genug. Die Forderung nach mehr Transparenz durch eine frühere Ansicht der Teilverkauf-Verträge haben die Anbieter bisher nicht erfüllt.

Bundesverband Immobilienverrentung

BVIV – Bundesverband Immobilienverrentung

Bundesverband Immobilienverrentung

Der Verbraucherschutz im Immobilien-Teilverkauf wird intensiv diskutiert. Einige Anbieter engagieren sich in einem […]

Standardverträge und Beipackzettel

Stephanie Heise, Verbraucherzentrale NRW

Stephanie Heise, Verbraucherzentrale NRW, Veranstaltung “Immobilien-Teilverkauf: Traum oder Albtraum für den Verbraucher?”. Quelle: Evelyn Steinbach

„Die Anbieter sollten kompakt auflisten, was es kostet“, rät Stephanie Heise. Alle Gebühren und Laufzeiten, die beim Teilverkauf entstehen. Gefordert wird eine Art Beipackzettel zum Vertrag, der die wichtigsten Punkte aus Verbrauchersicht enthält. Bisher umfasst ein Vertrag bis zu 60 Seiten, weil viel geregelt werden muss: der Teilverkauf, der Nießbrauch, der Gesamtverkauf. „Die Verträge unterliegen dem Grundsatz der Privatautonomie“, erklärt Notarassessorin Hegerfeld. Das heißt: Sie können von den Anbietern nahezu frei gestaltet werden. Die Rechtsexpertin hat versucht, den Teilverkauf mit bestehenden Gesetzen rechtlich einzuordnen. Zum Beispiel in das Verbraucherdarlehensrecht , wenn man davon ausgeht, dass das Nutzungsentgelt wie eine laufende Zinszahlung betrachtet wird. Oder das Preisklauselgesetz , denn dieses könnte für das Nutzungsentgelt anwendbar sein. „Noch gibt es keine oberrechtliche Rechtsprechung zum Teilverkauf, da das Verfahren recht jung ist“, sagt sie. Was bedeutet: Jeder Fall wird juristisch anders bewertet. Um den Verbraucherschutz zu gewährleisten, empfiehlt sie die Kontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Frühzeitiger Vertragsentwurf

Viele Diskussionsteilnehmer kritisieren, dass Interessenten den Vertrag erst nach der Bewertung der Immobilie erhalten. Zu diesem Zeitpunkt ist der Entscheidungsprozess oft weit fortgeschritten, und es bleibt wenig Raum, das Angebot mit anderen Anbietern zu vergleichen. Eine zweiwöchige Frist für eine gründliche Prüfung empfinden zudem viele als unzureichend. Eine Frist von mindestens vier Wochen würde eine bessere Basis für eine fundierte Entscheidung bieten und Zeit geben, einen Rechtsanwalt oder eine Verbraucherzentrale mit der Prüfung des Vertrags zu beauftragen, so viele Stimmen aus dem Saal.

Produktinformationsblatt für den Immobilien Teilverkauf

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Daten preisgegeben werden müssen, bevor man nähere Informationen über das Teilkauf-Angebot erhält. Ein offen zugängliches Produktdatenblatt und/oder ein Teilverkaufsrechner würden mehr Transparenz schaffen und den Verbrauchern ermöglichen, bessere Entscheidungen zu treffen.

Wie geht´s weiter mit dem Teilverkauf?

Eine mögliche Lösung: Anbieter und Verbraucherschutz erarbeiten Standards für den Teilverkauf

Ein wichtiges Fazit der Fachtagung war, dass sich Verbraucherschützer und Teilkäufer stärker austauschen müssen. Gemeinsam könnte ein Standard für den Teilverkauf entwickelt werden. Mit rechtlichen Konsequenzen für die Anbieter bei Verstößen. Wie und wann das Vorhaben umgesetzt wird und in welchem Maß sich die Politik mit einer Regulierung des Marktes einbringt, bleibt abzuwarten.

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