Berliner Testament

Berliner Testament – den letzten Willen gestalten

Wer ein Testament verfasst, denkt über den Tod hinaus. Er gestaltet seinen letzten Willen für die, die zurückbleiben. Verheiratete wählen mehrheitlich das Berliner Testament als gemeinschaftliches Testament, um ihre Lieben abzusichern. IMMO.info erklärt, was das Berliner Testament ist und wie man es der individuellen Situation anpassen kann.

Autor: KJ Redaktion und Experten | Veröffentlicht: 11.05.2022 | Lesezeit: 16 Minuten | Drucken

Berliner Testament

Was ist das Berliner Testament?

Experte vom Deutsches Forum für Erbrecht e.V.

Experte Paul Grötsch, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht

Das Berliner Testament ist ein gemeinschaftliches Testament für Eheleute oder Paare in eingetragener Lebenspartnerschaft. Es ist gesetzlich nicht definiert. „Jedes Testament bei dem sich Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzten und jemand anderen – meist die gemeinsamen Kinder – als Schlusserben des Längerlebenden benennen, ist ein Berliner Testament“, erläutert Paul Grötsch, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer des Deutschen Forum für Erbrecht e.V. 

Paare regeln mit dem Berliner Testament gemeinsam ihren Nachlass; stirbt ein Partner, erbt der andere Partner das gesamte Vermögen. Kinder, Enkel oder weitere Verwandte gehen zunächst leer aus. Erst nach dem Tod des zweiten Partners wird das Familienvermögen unter den Kindern oder sonstigen Personen, die als Schlusserben im Testament genannt werden, aufgeteilt.

Das Berliner Testament ist die in Deutschland am weitesten verbreitete Form eines Testaments, und es wird zunehmend beliebter. 2018 haben sich laut dem Institut für Meinungsforschung Allensbach 59 Prozent der befragten potentiellen Erblasser für ein Berliner Testament entschieden, im Jahr 2012 waren es 50 Prozent.

Ein klassisches Berliner Testament ohne Extras könnte wie folgt lauten:

Wir, X, geboren am… in …, und Y, geboren am … in …, setzen uns gegenseitig für unser gesamtes Vermögen als Alleinerben ein.
Nach dem Tod des Längerlebenden erben unsere Kinder A und B zu gleichen Teilen.“

Wie jedes andere Testament kann das Berliner Testament handschriftlich zuhause verfasst werden. Allerdings müssen zwingend beide Partner unterschreiben, Datum und Ort der Unterschriften sollten separat angegeben werden. Unterschriebene Ausdrucke sind nicht gültig. Auch wenn weder ein Notar noch ein Fachanwalt für Erbrecht beteiligt werden muss, empfehlen wir professionelle Beratung.

„Nur durch die individuelle Anpassung wird aus dem klassischen Berliner Testament ein den eigenen Bedürfnissen entsprechender maßgeschneiderter letzter Wille“, warnt Paul Grötsch.

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Bindungswirkung des Berliner Testaments

Solange beide Eheleute leben, kann jedes gemeinschaftliche Testament von einem Partner oder beiden Partnern gemeinsam widerrufen werden. Ein einseitiger Widerruf ist nur wirksam, wenn er dem anderen Partner in notariell beurkundeter Form zugestellt wird.

 Nach dem Tod eines Partners ist der Längerlebende an das gemeinschaftlich aufgesetzte Testament gebunden.

Auch ein Berliner Testament ohne Extras kann nach dem Tod eines Partners nicht geändert werden. Über diese Bindungswirkung sind sich laut Grötsch die Verfasser des Testaments häufig nicht im Klaren. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass die Bindungswirkung für den Längerlebenden etwa dann viel Ärger bedeuten kann, wenn sich Grundlegendes in seinem Leben ändert. Beispielsweise, wenn er neu heiratet und der neue Partner bzw. die neue Partnerin in die Erbfolge miteinbezogen werden soll. Oder, wenn er sich mit einem der Schlusserben zerstreitet und denjenigen enterben möchte.

Ohne Änderungsklausel im Testament hat der Längerlebende keine Möglichkeit, die Bindungswirkung aufzuheben. Deshalb rät der Fachanwalt für Erbrecht nachdrücklich zur Aufnahme einer Änderungsklausel.

Der Änderungsvorbehalt könnte wie folgt formuliert und in das Testament aufgenommen werden:

Der Längerlebende von uns ist nach dem Tod des Erstverstorbenen nicht an die gemeinschaftlich vereinbarte Erbfolge und Aufteilung des Erbes gebunden. Er ist dazu berechtigt, neu und abweichend zu testieren.“

Möglich ist es auch, dem Längerlebenden nur ein eingeschränktes Änderungsrecht zuzugestehen, dass er etwa die Erbquoten ändern darf, aber nicht den Kreis der Erben. Ebenso kann verfügt werden, dass nichts verschenkt oder eine bestimmte Immobilie nicht veräußert werden darf.

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Berliner Testament und die Steuern

Beispiel
In Deutschland gilt für Kinder sowohl nach dem Tod der Mutter als auch nach dem Tod des Vaters jeweils ein steuerlicher Freibetrag von 400.000 Euro für das Erbe. Wird dieser Betrag voll ausgeschöpft, kann jedes Kind insgesamt 800.000 Euro steuerfrei erben. Liegt ein nicht weiter spezifiziertes Berliner Testament vor, erben die Kinder jedoch nur einmal, und zwar nach dem Tod des Längerlebenden der Eltern. Damit entgeht ihnen einer der beiden Freibeträge, sie erben maximal 400.000 Euro steuerfrei.

Diese Situation lässt sich durch eine Anpassung des Berliner Testaments verhindern. „Wenn das zu vererbende Vermögen größer ist als die Summe der Freibeträge der Kinder, empfiehlt es sich, den Kindern schon im ersten Erbfall beispielsweise Miteigentumsanteile an Immobilien zu vermachen“, sagt Anwalt Grötsch. Das Wohnrecht des Längerlebenden kann in so einem Fall über einen im Grundbuch eingetragenen Nießbrauch absichert werden.

„Ohne Anpassung ist das Berliner Testament steuerlich mit Vorsicht zu genießen“, mahnt Grötsch. Werde es jedoch angepasst, würden steuerliche Nachteile vermieden und die Vorteile des Berliner Testaments genutzt.

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Vorteile des Berliner Testaments

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Das Berliner Testament eignet sich für die gemeinsame Nachlassregelung.

Mit einem Berliner Testament wird der länger lebende Partner maximal abgesichert. Er kann mit dem gesamten Vermögen tun und lassen, was er möchte. Es gibt kein Risiko, etwa eine Immobilie verkaufen zu müssen, um andere Erben auszuzahlen.

Zudem kommt es zu keiner – häufig konfliktträchtigen – Erbengemeinschaft.

Handelt es sich um eine Patchworkfamilie, können Stiefkinder, die namentlich als Schlusserben genannt werden, leiblichen Kindern gleichgestellt werden. Werden Stiefkinder nicht in das Testament aufgenommen, gehen sie bei gesetzlicher Erbfolge leer aus.

Selbst falls die Witwe oder der Witwer neu heiratet, bleibt das Vermögen in der ursprünglichen Familie, wenn gemeinsame Kinder als einzige Schlusserben eingesetzt werden (es sei denn, die Änderungsklausel erlaubt anderes).

Nachteile des Berliner Testaments

Sowohl die Bindungswirkung als auch der steuerliche Aspekt des Berliner Testaments können nachteilig wirken. Wie schon aufgeführt, lassen sich diese zwei Punkte durch individuelle Anpassung entschärfen.

Der größte Nachteil des Berliner Testaments ist die Kehrseite des größten Vorteils:

Da der Längerlebende alles erbt, erben Kinder zunächst nichts. Das kann für Unmut sorgen, auch weil niemand vorhersehen kann, wieviel von dem Familienvermögen noch übrig ist, wenn der Längerlebende stirbt.

Kinder müssen nicht akzeptieren, dass sie zunächst übergangen werden und können ihren gesetzlichen Pflichtteil einfordern. Der Pflichtteil entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Fordert ein Kind seinen Pflichtteil, entsteht unter Umständen genau die Situation, die man mit dem Berliner Testament unterbinden wollte: Der längerlebende Partner muss die Immobilie, in der er wohnt, verkaufen, um den Pflichtteilsberechtigten auszuzahlen.

Um das Einfordern des Pflichtteils zu verhindern beziehungsweise so wenig lukrativ wie möglich zu gestalten, enthalten Berliner Testamente häufig eine Pflichtteilsstrafklausel. Diese Klausel besagt, dass Kinder, die beim Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil einfordern, auch nach dem Tod des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil bekommen.

In aller Regel – auch hier empfehlen wir individuelle Beratung – stehen sie damit finanziell schlechter da, als wenn sie das Testament akzeptiert und ihr Erbe erst nach dem Tod des Längerlebenden bekommen hätten.

Grötsch weist darauf hin, dass im Falle der Pflichtteilsstrafklausel geklärt werden muss, wer im zweiten Erbfall den Teil bekommt, den das Kind mit Pflichtteil nicht bekommt.

Zu Vorsicht rät er in dem Fall, in dem im Testament Ersatzerben, etwa Enkelkinder, aufgeführt sind. Das könnte dazu führen, dass die Familie des Kindes, das den Pflichtteil eingefordert hat, am Ende mehr erhält, als die Familie des Kindes, das das Testament akzeptiert hat.

Wer kann ein Berliner Testament aufsetzen?

Das Berliner Testament ist Verheirateten und Paaren in eingetragener Lebenspartnerschaft vorbehalten. Paare ohne Trauschein können es nicht für sich in Anspruch nehmen.

Kommt es zu einer Scheidung der Eheleute oder liegt der Antrag auf Scheidung vor und alle Bedingungen zum Vollzug der Scheidung sind erfüllt, verliert ein Berliner Testament automatisch seine Gültigkeit.

Deutsche mit Wohnsitz im Ausland müssen in das Testament die Klausel „nach deutschem Recht“ aufnehmen; dann gilt ihr letzter Wille, egal wo sie gerade leben. Ohne die Klausel „nach deutschem Recht“ gilt das Erbrecht des jeweiligen Landes. Das müsse nicht nachteilig sein, sagt Paul Grötsch aus Erfahrung, vielleicht passe das Erbrecht des Landes, in dem der „letzte gewöhnliche Aufenthaltsort“ – so die juristische Formulierung – liegt, optimal zur persönlichen Situation.

Fazit

Das Berliner Testament ist eine individuell gestaltbare Form des gemeinschaftlichen Testaments, das vor allem von Ehepaaren mit gemeinsamen Kindern aufgesetzt wird. Die persönlichen Anpassungen müssen eindeutig und rechtssicher formuliert werden, damit das Testament so weit möglich unanfechtbar bleibt. Für juristische Laien ist es kaum möglich, ohne anwaltliche oder notarielle Hilfe ein maßgeschneidertes rechtssicheres Berliner Testament zu erstellen.

Das Berliner Testament in seiner Grundform ohne Zusätze ist sehr allgemein gehalten und wird nur den wenigsten Familiensituationen gerecht.

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