Wohnungsbaugenossenschaft
Wohnungsbaugenossenschaften – die besseren Vermieter?
Bezahlbarer Wohnraum, keine Kündigung wegen Eigenbedarf, nachbarschaftliches Miteinander und Möglichkeiten zur Mitgestaltung – wer in einer genossenschaftlichen Wohnung lebt, hat viele Vorteile. Matthias Zabel vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen erklärt IMMO.info, wie man an eine genossenschaftliche Wohnung kommt, wie sich Wohnungsbaugenossenschaften finanzieren und wie man schwarze Schafe unter den Anbietern erkennt.
Was braucht man alles, um an eine der begehrten genossenschaftlichen Wohnungen zu kommen?
Vor allem Glück und Geduld. Die Nachfrage nach den vorhandenen Wohnungen ist – in den Ballungsräumen – groß, die Wartelisten sind oft lang.
Genossenschaftliches Wohnen ist anders als Kaufen und mehr als Mieten. Nicht nur aus finanziellen Nöten, sondern auch aus dem Wunsch auf eine soziale Wohnform nehmen viele Menschen die Wartezeiten in Kauf.
Wie funktioniert eine Wohnungsbaugenossenschaft?
Eine Wohnungsbaugenossenschaft will ihren Mitgliedern sicheren und finanzierbaren Wohnraum in einem sozialengagierten Umfeld bieten. Sie finanziert sich vor allem über den Verkauf von Genossenschaftsanteilen. Mit erwirtschafteten Überschüssen werden Bestandswohnungen in Schuss gehalten und neue Wohnungen gebaut. Alle Mitglieder können gleichberechtigt die Entwicklung der Genossenschaft mitbestimmen.
Eine Genossenschaft ist unter allen Rechtsformen die demokratischste
sagt Matthias Zabel, der beim Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen das Referat Genossenschaftsrecht und Genossenschaftswesen leitet. Die Grundprinzipien genossenschaftlichen Wohnens sind seit mehr als 100 Jahren: Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. In Deutschland gibt es rund 2000 Wohnungsbaugenossenschaften mit einem Bestand von etwa 2,2 Millionen Wohnungen.
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Formen gemeinschaftlicher Wohnprojekte
Wohnungsbaugenossenschaften gehören zu den gemeinschaftlichen Wohnprojekten. Neben Genossenschaften gibt es weitere Formen, unter anderem das Mietshäuser Syndikat, Mietgemeinschaften als Vereine, oder Baugemeinschaften. Oft spielen alternative Wohnkonzepte eine Rolle, die einen bestimmten gemeinnützigen Zweck verfolgen, zum Beispiel betreutes Wohnen oder Senioren-Wohngemeinschaften.
Wohnungsbaugenossenschaften versus gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften – wo liegt der Unterschied?
Einige Wohnungsbaugenossenschaften tragen das Wort „gemeinnützig“ im Namen. „Das stammt in der Regel noch aus Zeiten der Wohnungsgemeinnützigkeit“, sagt Zabel. Die Wohnungsgemeinnützigkeit stammt aus dem 19. Jahrhundert, 1940 wurde das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) erlassen. Das Gesetz besagte, dass Wohnungsunternehmen staatlich besonders gefördert und von der Steuer befreit werden, wenn sie ausgesprochen sozialverantwortlich handeln und auf einen Teil ihrer Rendite verzichten. 1990 wurde das WGG ersatzlos gestrichen, die Politik versprach sich dadurch höhere Steuereinnahmen. Man kann das als Zeichen dafür lesen, dass der soziale Wohnungsbau im Vergleich zur Nachkriegszeit an Bedeutung eingebüßt hat.
„Alle seriösen Wohnungsbaugenossenschaften sind auch heute am Gemeinwohl orientiert“, so der Genossenschaftsexperte. „Sie stellen nicht nur Wohnraum zur Verfügung, sondern engagieren sich auch für gute Nachbarschaft, etwa mit Senioren- und Jugendtreffs im Quartier, die nicht nur den Mitgliedern offenstehen.“
Wie erkenne ich, ob eine Wohnungsbaugenossenschaft seriös ist?
„Für einen Laien ist es nicht so einfach zu erkennen, ob eine Genossenschaft seriös ist. Es gibt verschiedene Punkte, die Merkmale eines unseriösen Anbieters sein können. Es kommt jedoch auf das Gesamtbild an“, sagt Zabel.
- Werbung mit hoher Dividende oder Rendite, mit vermögenswirksamen Leistungen oder einer Wohnungsbauprämie
- Aktive Telefonwerbung der Genossenschaft oder über Vermittlerbüros
- Fehlendes Anlagevermögen: Wenn in der Bilanz nur ein fünfstelliges Anlagevermögen genannt ist, können keine Immobilien vorhanden sein.
- Portfolio aus Wohn- und Gewerbeimmobilien
- Großes Missverhältnis zwischen Mitgliedern und Wohneinheiten
- Hohes Eintrittsgeld in Form besonders teurer Mitgliederanteile
Auch die Nachschusspflicht kann unter Umständen ein Warnhinweis sein. Sie besagt, dass Mitglieder verpflichtet werden können, Geld nachzuschießen, wenn es der Genossenschaft finanziell schlecht geht. Nicht alle, aber viele seriöse Wohnungsbaugenossenschaften hätten die Nachschusspflicht ausgeschlossen, so Zabel.
Grundsätzlich rät er, sich bei Unsicherheit an eine Verbraucherzentrale zu wenden. Deren Berater kennen schwarze Schafe vielleicht schon und können helfen, einen Geschäftsbericht richtig zu interpretieren. Auf der Internetseite des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen steht eine Checkliste zum Thema „seriöse Wohnungsgenossenschaften“ zum Download bereit.
Wie komme ich an eine genossenschaftliche Wohnung?
„Als erstes müssen Interessierte in der Regel bei der entsprechenden Wohnungsgenossenschaft Mitglied werden, das funktioniert über den Kauf von mindestens einem Anteil“, sagt Matthias Zabel. Ein Anteil koste in der Regel zwischen 300 und 500 Euro.
Wichtig zu wissen: Die Chance, eine der begehrten Wohnungen zu bekommen, hängt nicht mit der Menge der Anteile zusammen, die jemand zeichnet. Auch das Stimmrecht der Mitglieder ist von den Anteilen unabhängig, jeder hat eine Stimme.
Freie Wohnungen werden sehr häufig nur unter den Mitgliedern vergeben; oft führt der Weg zu einer Wohnung jedoch über die Warteliste. Aber die Wartedauer ist nicht das einzige Kriterium, es geht auch um Wohnbedürfnisse. Falls es mehrere Interessenten für eine Wohnung gibt, wird der Zuschlag für eine Vierzimmerwohnung nicht an einen Single gehen.
Vor dem Einzug in eine Wohnung müssen weitere nutzungsbezogene Anteile gezeichnet werden. Sie sind meist günstiger als die Mitgliedsanteile, und ihre Anzahl richtet sich nach der Größe der Wohnung. Neben den nutzungsbezogenen Anteilen, die einmalig erworben werden, fällt eine monatliche Miete an, die sogenannte Nutzungsgebühr.
Wie deutlich Genossenschafts-Mietpreise unter den Mieten liegen, die in den großen Vermittlungsportalen gefordert werden, zeigt eine Statistik des GdW von 2022:
Die orangen Säulen zeigen die Quadratmeterpreise, die auf Onlineportalen von Vermietern gefordert wurden. Die grünen Säulen bilden die tatsächlichen Preise ab, die der Quadratmeter in Wohnungen der GdW-Unternehmen kostete. Mehr als Zweidrittel der 3000 GdW-Unternehmen sind Genossenschaften, weitere 700 sind kommunale Wohnungsunternehmen.
Wie lange darf ich in der Wohnung einer Genossenschaft leben?
Wer einmal bei einer Wohnungsbaugenossenschaft einziehen darf, kann in aller Regel und wenn kein genossenschaftswidriges Verhalten vorliegt, bis an sein Lebensende wohnen bleiben. Selbst wenn man als Familie eine große Wohnung erhält und 25 Jahre später alleine in der Wohnung zurückbleibt – niemand zwingt einen zum Ausziehen.
„Sicher gibt es Genossenschaften, die einem Mieter eine kleinere Wohnung anbieten, nachdem die Kinder ausgezogen sind“, sagt Zabel. Allerdings könne das nur ein Vorschlag sein, eine Pflicht zum Umziehen gebe es nicht. Und wenn ein Bewohner stirbt? Wenn der Mieter stirbt, dürfen Ehe- und Lebenspartner sowie Kinder, die mit in der Wohnung leben, nicht gekündigt werden und wohnen bleiben. Ob Kinder, die bereits ausgezogen sind, in die Wohnung der verstorbenen Eltern einziehen dürfen, entscheidet jede Genossenschaft für sich. Die Mitgliedschaft einer Genossenschaft wird generell zeitlich befristet vererbt. Ob sich daraus eine eigene Mitgliedschaft und das Anrecht auf eine Wohnung ergibt, regelt ebenfalls jede Genossenschaft in ihrer Satzung individuell.
„Genossenschaftliche Wohnungen können über Generationen in der Familie bleiben. Daher gibt es so wenige Mieterwechsel“, sagt Zabel. Sind alle Wohnungen belegt und die Wartelisten gefüllt, haben viele Genossenschaften einen Aufnahmestopp. So nimmt etwa die Münchner Wogeno 2024 nur 350 Personen auf, die meist bestimmte Kriterien wie niedriges Einkommen oder Verwandtschaft zu Mitgliedern erfüllen müssen.
Warum gibt es nicht mehr genossenschaftlichen Wohnraum?
Wer sich auf den Webseiten der Wohnungsgenossenschaften umsieht, versteht schnell: Es gibt viel mehr Nachfrage als Angebot an dieser sozialen Wohnform. Bestehende Genossenschaften würden gerne mehr bauen, Politiker und potenzielle Mieter wünschen sich Neugründungen.
„Wir wünschen, wir hätten mehr Konkurrenz“ heißt es etwa auf der Homepage der Wohnungsgenossenschaft München-West, die keine neuen Mitglieder aufnehmen kann.
„Leider gründet man eine Wohnungsbaugenossenschaft nicht so schnell wie einen Dorfladen
, sagt Matthias Zabel. Man brauche ein Grundstück und dafür viel Eigenkapital. Zudem müssten die exorbitant gestiegenen Baukosten finanziert werden. Damit eine Neugründung an den Start gehen kann, müssen die wenigen Gründungsmitglieder häufig sechsstellige Summen aufbringen. Für die normale Zielgruppe genossenschaftlichen Wohnens sei das kaum zu stemmen. Daher hat die Förderbank KfW das Programm 134 aufgelegt, das den Erwerb von Genossenschaftsanteilen mit günstigem Kredit und Tilgungszuschuss unterstützt.
Zabel weist darauf hin, dass auch die Genossenschaften, die bereits auf dem Markt sind, politischer Förderung bedürfen, um wachsen zu können. „Genossenschaften wollen bezahlbaren Wohnraum schaffen. Doch bei der Vergabe haben sie oft das Nachsehen, kommunale Unternehmen werden häufig bevorzugt“. So appelliert Zabel: „Wenn die Politik genossenschaftliches und damit bezahlbares Wohnen fördern will, sollte sie Genossenschaften den Erwerb von Baugrundstücken ermöglichen und vereinfachen.“ Zudem müssten Finanzierungs- und Baukosten gesenkt werden. „Bei den aktuellen Kosten landen wir bei Neubaumieten von 18 Euro pro Quadratmeter und mehr. Das ist für genossenschaftliches Wohnen in der Breite nicht tragbar.“
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Ausdruck: 21.11.2024
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