Erbschein und Immobilien

Erbschein beantragen – wie sich Erben legitimieren

Ein Todesfall in der Familie – doch statt ungestört zu trauern, haben die Hinterbliebenen jede Menge Bürokratisches zu regeln. Konten müssen aufgelöst, Versicherungen gekündigt, eine Immobilie muss übertragen werden. Um sich offiziell als Erbe auszuweisen, ist in einigen Fällen ein Erbschein notwendig. IMMO.info erklärt, was ein Erbschein ist, wie man ihn erhält und wann man ihn benötigt.

Autor: KJ Redaktion und Experten | Veröffentlicht: 30.05.2022 | Lesezeit: 12 Minuten | Drucken

Erbschein beantragen

Was ist ein Erbschein?

Ein Erbschein ist ein Ausweis, der öffentlich beurkundet, wer welchen Anteil eines Nachlasses erbt. „Ein Erbschein berechtigt den Erben dazu, über den Besitz des Erblassers zu verfügen“, sagt Paul Grötsch, Anwalt für Erbrecht und Geschäftsführer des Deutschen Forum für Erbrecht e.V. . Mit diesem Dokument können Konten aufgelöst, Immobilien überschrieben und Versicherungen gekündigt werden.

Experte vom Deutsches Forum für Erbrecht e.V.

Experte Paul Grötsch, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht

„Doch der Erbschein legt das Erbrecht nicht fest“, erklärt Grötsch und nennt ein Beispiel: Liege kein Testament vor, gelte die gesetzliche Erbfolge; der Erbschein werde entsprechend ausgestellt. Finde sich dann etwa beim Räumen der Wohnung doch ein Testament, verliere der Erbschein seine Gültigkeit und werde eingezogen.

In einem klassischen Erbschein werden alle Erben in einem Dokument genannt, jeder erhält die gleiche Version. Zudem gibt es den Teilerbschein, der für jeden Erben einzeln ausgestellt wird und nur in Sonderfällen notwendig ist.

„Gibt es mehrere Erben, müssen diese in den meisten Fällen gemeinsam aktiv werden“, so Grötsch, unabhängig davon welche Erbscheinvariante vorliegt. Einen Termin beim Grundbuchamt braucht man nicht, die Grundbuchumschreibung auf die Erbengemeinschaft kann einer der Erben per Brief beantragen. Über Kontoguthaben kann einer allein aber nicht verfügen, auch nicht an sich einen Teil auszahlen lassen. Dafür sind alle Erben nötig.

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Wie beantrage ich einen Erbschein?

Erbscheine werden nur auf Antrag ausgestellt. In der Regel schreibt das jeweilige Nachlassgericht – also das Amtsgericht am letzten Wohnort des Erblassers – die Erben an und fragt, ob sie einen Erbschein beantragen wollen. „Benötigen die Erben den Erbschein“, sagt Erbrechtsanwalt Grötsch, „dann haben sie zwei Möglichkeiten: Entweder sie beantragen das Dokument beim Gericht oder bei einem Notar.“

Der Unterschied: Bei Gericht kostet es etwas weniger, dauert in der Regel länger und ist insgesamt weniger kundenfreundlich. Das Gericht weist den Termin zu und verschickt keine Entwürfe. Beim Notar lässt sich ein Wunschtermin vereinbaren, der Entwurf einsehen und insgesamt bekommt man den Erbschein schneller.

Um den Erbschein zu beantragen, muss der Erbe sein Erbrecht mit einigen Urkunden belegen: dazu gehört die eigene Geburtsurkunde, die Sterbeurkunde des Erblassers, eventuell die Heiratsurkunde. Falls kein Testament vorliegt, kann es komplizierter werden. Gibt es nähere Verwandte, die in der Erbfolge zuerst berücksichtigt worden wären und bereits verstorben sind, benötigt man auch deren Sterbeurkunden.

Mit der Beantragung des Erbscheins wird das Erbe angenommen

Ein wichtiger Hinweis: „Mit der Beantragung des Erbscheins wird das Erbe definitiv angenommen“, warnt der Experte für Erbrecht. „Es gibt dann kein Zurück mehr, auch nicht wenn der Nachlass überschuldet ist.“ Es gilt also, zuvor genau zu prüfen, woraus der Nachlass besteht und gegebenenfalls innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe auszuschlagen. Läuft diese Frist ab, beziehungsweise beantragt man zwischenzeitlich einen Erbschein, ist das Erbe angenommen. Man kann die Erbschaftsannahme anfechten, wenn man bei Annahme davon ausgegangen ist, dass der Nachlass positiv ist, hinterher sich aber herausstellt, dass der Nachlass überschuldet ist. Die Anfechtung der Annahme wirkt wie eine Ausschlagung.

Wann benötige ich einen Erbschein?

Notarurkunde Erbschein

Liegt ein Testament vor? Ein Erbschein ist nicht immer notwendig.

Ein Erbschein ist vor allem dann wichtig, wenn der Nachlass Immobilien oder im Handelsregister eingetragene Gesellschaften beinhaltet und es kein notarielles Testament gibt. Liegt ein notarielles Testament mit Eröffnungsvermerk vor, ersetzt das in der Regel den Erbschein, auch gegenüber dem Grundbuchamt.

Banken gegenüber reicht normalerweise ein beglaubigtes handschriftliches Testament mit Veröffentlichungsprotokoll als Erblegitimation. Wer schon zu Lebzeiten des Erblassers eine Bankvollmacht besitzt, kann damit auch die Bankgeschäfte des Verstorbenen regeln und benötigt dazu weder einen Erbschein noch ein Testament.

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Was kostet der Erbschein?

Je nach Nachlassvermögen kostet der Erbschein einen drei- bis vierstelligen Betrag.

Die Gebühr richtet sich nach dem Wert des Erbes, die entsprechende Tabelle B ist auf der Internetseite  des Bundesjustizministeriums veröffentlicht.

„In der Regel fallen die Gebühren doppelt an“, erklärt Anwalt Grötsch. Zum einen für die eidesstattliche Versicherung, mit der die Erben die Richtigkeit ihre Angaben bekräftigen müssen. Zum anderen für die schlussendliche Erteilung des Erbscheins. Beantragt man den Erbschein beim Notar, rechnet der die Kosten für die eidesstattliche Versicherung ab und schlägt auf diese Summe die Mehrwertsteuer auf.

Erben, die das Dokument beim Gericht beantragen, sparen sich diese Mehrwertsteuer. Die Kosten für die Erteilung rechnet immer das Gericht ab, Mehrwertsteuer fällt nicht an. In Ausnahmefällen kann das Gericht auf eine eidesstattliche Versicherung verzichten.

Ohne jede Mehrwertsteuer kostet ein Erbschein für einen Nachlass in Höhe von 80.000 Euro 438 Euro, für einen Nachlass von 500.000 Euro 1.870 Euro. Für ein Erbe im Wert von einer Million Euro liegt die Gebühr bei 3.470 Euro.

Stellt sich ein Erbschein als falsch heraus und wird eingezogen, müssen die Erben einen neuen Schein beantragen. Häufig wird dann auf eine zweite eidesstattliche Versicherung verzichtet; die Gebühr für die Ausstellung des Dokuments fällt jedoch erneut an.

Das europäische Nachlasszeugnis

„Wenn ein Erbfall über die Landesgrenze hinausgeht, reicht der deutsche Erbschein nicht aus. Sind Länder der Europäischen Union involviert, beantragt man ein europäisches Nachlasszeugnis“, so Grötsch. Damit können Erben ihre Erbenstellung innerhalb der EU (mit Ausnahme von Irland und Dänemark) nachweisen. Das europäische Nachlasszeugnis benötigt man beispielsweise dann, wenn eine Immobilie in Spanien zum Nachlass gehört oder wenn ein Erbe in Frankreich lebt.

Der Antrag für das europäische Nachlasszeugnis findet sich auf der Internetseite der EU unter Europäisches Justizportal - Erbrecht (europa.eu ). Die Kosten für das europäische Dokument entsprechen denen des deutschen Erbscheins.

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