Vermietung über Airbnb und Co.
Zweckentfremdung von Wohnraum – was bedeutet das?
In vielen Regionen Deutschlands ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Damit der vorhandene Wohnraum tatsächlich zum Wohnen genutzt wird, hat der Gesetzgeber ermöglicht, Zweckentfremdung zu verbieten. Rechtsanwalt und Immobilienrechtsexperte Stefan Schmid erläutert den Inhalt der Verordnung und ihre Auswirkungen.
Zweckentfremdung von Wohnraum
Zweckentfremdung liegt vor, wenn
- Wohnraum der gewerblichen Fremdbeherbergung dient, also tages- und wochenweise an Touristen vermietet wird.
- Wohnraum als Büro, Praxis oder Ladengeschäft genutzt wird.
- Wohnraum länger leer steht, ohne dass renoviert oder modernisiert wird.
- Wohnraum baulich so stark verändert wird, dass er nicht mehr bewohnbar ist.
- Wohnraum abgerissen wird.
In all diesen Fällen wird Wohnraum nicht zum Wohnen genutzt.
Stefan Schmid ist seit 1994 Rechtsanwalt in Dresden und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Rechtsanwalt Stefan Schmid war in Großkanzleien in München tätig und leitet in Dresden die Kanzlei immobilienrecht-dresden.de mit den Schwerpunkten privates Immobilienrecht und Mietrecht, Bau- und Architektenrecht, Verwaltungs- und Gesellschaftsrecht.
„Wenn ich in der Wohnung lebe und am Küchentisch Websites konzipiere oder als Anwalt einmal im Monat Mandanten empfange, kann ich aus meiner Wohnung heraus eine gewerbliche Tätigkeit unterhalten. Hänge ich jedoch ein Schild außen hin und kommen täglich zehn Menschen, um Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, dann bin ich im Bereich Zweckentfremdung“, erklärt Schmid.
Was passiert bei Zweckentfremdung?
Unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern
Der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht weist darauf hin, dass „Zweckentfremdung eine Ordnungswidrigkeit ist und in das Öffentliche Recht gehört“. Das Öffentliche Recht regelt das Verhältnis von Bürgern und Staat. Zivilrecht, zu dem auch das Mietrecht gehört, kennt Zweckentfremdung nicht.
Ob und wie streng Zweckentfremdung als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, ist Ländersache. Die Landesregierungen können für „Gemeinden, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist“ (Artikel 6 des Mietrechtsverbesserungsgesetzes MietRVerbG von 2006), bestimmen, dass Wohnraum nur mit Genehmigung anders als vorgesehen genutzt werden darf. Dabei wird hervorgehoben, dass gewerbliche Zimmervermietung der Zweckentfremdung entspricht.
Durch die Zuständigkeit der Länder unterscheiden sich die Zweckentfremdungsverordnungen von Land zu Land und von Gemeinde zu Gemeinde. Unterschiede liegen zum Beispiel in der Höhe der Bußgelder oder in der Anzahl der Wochen, die eine Wohnung genehmigungsfrei an Touristen vermietet werden darf. Die kommunalen Regelungen können laufend der aktuellen Situation angepasst, also auch verschärft oder außer Kraft gesetzt werden.
Zweckentfremdung am Beispiel München
In welcher Form wird heute vor allem zweckentfremdet?
Beispiel aus der Praxis
Ein Bericht aus dem Münchner Rathaus, aus dem die Süddeutsche Zeitung im Mai 2022 zitierte, schlüsselt die verschiedenen Arten der Zweckentfremdung in München auf. 2022 konnte die Stadt 450 zweckentfremdete Wohnungen dem Wohnungsmarkt zurückgeben: Von den 450 waren 246 Wohnungen länger leer gestanden, 132 als Feriendomizil und 72 für gewerbliche Zwecke genutzt worden.
Ein Großteil der Zweckentfremdung entfällt somit auf leer stehende Wohnungen. An zweiter Stelle steht die unrechtmäßige Vermietung von Wohnraum über Vermietungsportale wie Airbnb , Booking.com, Wimdu oder andere.
Städte wie München leiden besonders unter der Knappheit an Wohnraum. Aus diesem Grund hat der Freistaat Bayern schon 2007 im Zweckentfremdungsgesetz (ZwEWG) gesetzlich geregelt, dass einzelne Städte Satzungen über Zweckentfremdung von Wohnraum erlassen dürfen. In der Zweckentfremdungssatzung der Stadt München steht unter anderem, dass eine Wohnung maximal acht Wochen pro Jahr „für Zwecke der Fremdenbeherbergung“ vermietet werden darf.
Wann kann eine Zweckentfremdung genehmigt werden?
Auch in dieser Frage haben die Länder Spielraum. In Bayern können Genehmigungen zur Umnutzung von Wohnraum erteilt werden, wenn vorrangiges öffentliches Interesse besteht, beispielsweise ein Kindergarten in Wohnräume einzieht. Zweckentfremdung kann auch genehmigt werden, wenn eine Ausgleichszahlung geleistet oder Ersatzwohnraum geschaffen wird.
„Die Chance auf eine genehmigte Zweckentfremdung“, so Rechtsanwalt Schmid, „ist eine reine Einzelfallentscheidung, welche die jeweilige Baubehörde trifft.“ Es lohnt sich also, nachzufragen. Wenn eine Umnutzung genehmigt wird, kann diese Genehmigung auch nur vorübergehend gelten.
Zweckentfremdung durch touristische Vermietung
Sicher hat der Boom der großen Vermietungsplattformen wie Airbnb dazu beigetragen, dass die Zweckentfremdungsvorschriften verschärft wurden und vermehrt angewendet werden. Zuviel Wohnraum vor allem in den Großstädten wurde für Touristen freigehalten und damit dem öffentlichen Wohnungsmarkt entzogen.
„Eine Wohnung günstig mieten oder kaufen, um sie teuer Touristen und Geschäftsreisenden zu überlassen, ist in vielen Regionen ordnungswidrig. Zudem liegt es an der Grenze zur Sittenwidrigkeit“, sagt Rechtsanwalt Stefan Schmid.
Wer als Urlauber eine zweckentfremdete Wohnung mietet, macht sich nicht strafbar. Schließlich verursacht der Vermieter die Zweckentfremdung.
Nicht touristisches Wohnen auf Zeit fällt nicht unter die Zweckentfremdung. Ob ein qualifizierter Zeitmietvertrag oder ein Mietvertrag zum vorübergehenden Gebrauch mit entsprechendem Aufenthaltsgrund vorliegt, spielt dabei keine Rolle. In beiden Fällen wird der Lebensmittelpunkt in die Wohnung verlegt. In unserem Ratgeber „Wohnen auf Zeit – Möglichkeiten und Unterschiede“ beleuchten wir das Thema ausführlich.
Zeitmietverträge und mehr
Wohnen auf Zeit – Möglichkeiten und Unterschiede
Ausdruck: 21.12.2024
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